"Wenn die Wellen über mir zusammenschlagen,
 tauche ich hinab, nach Perlen zu fischen“ 

Mascha Kaléko 

Wann habe ich angefangen, mich intuitiv kreativ auszudrücken?

Ich erinnere mich an Kindheitstage, in denen ich eigenartig aussehende Wurzelgestalten mit Wasserfarben bemalt, und ihnen damit ein buntes Leben eingehaucht hatte. Oder Steine, die meine Filzstifte geduldig auf sich nahmen. Auch jede Menge Rückseiten von ausgedientem, beschriebenem Schreibmaschinenpapier bekam Zeichnungen und Malereien ab. 

Ich kann mich auch an das allerletzte gemalte Bild meiner Teenagerzeit erinnern, das irgendwie seinen Weg ins Archiv nicht gefunden hat: ein Sonnenuntergang in der weiten Prärie Nordamerikas, ein am Boden sitzender Indianer, schräg hinter ihm frei stehend sein sattelloser Mustang, dem die Zügel zu Boden hingen, beide in den Sonnenuntergang blickend,
Diesem letzten realistisch gestalteten Bild folgte eine lange Zeit der künstlerischen Ausdruckslosigkeit.

2016 erst bekam ich wieder einen starken Impuls mich erneut mit der Malerei zu befassen.

Ich befand mich auf der Mouna Farm, cultural art village, auf O'ahu, Hawai'i, mitten im Kahuna Bodywork Intensivtraining mit anderen Studenten, unter Leitung meiner Lehrerin Ki'a'i Ho'okahi Weber. 

Eines Tages hieß es, wir sollten eine Einladung zu einer Zusammenkunft gestalten, das an Kahu Kamaki Kanahele, einen der angesehensten Elder und Heiler der Insel, gehen sollte. 

Es wurde hin und her überlegt, woraus die Einladung bestehen sollte, Papier war vorhanden, und Bleistifte auch, aber keinerlei Farbstifte oder ähnliches. Man wollte schon losfahren um Buntstifte zu kaufen, aber dann wurde befunden dass die Zeit dazu zu knapp war.
Da sagte ich: "wir haben so viele bunte Blumen und Gemüse hier am Gelände, wieso nutzen wir das nicht um Farben zu gewinnen?"
"Ok" sagte Ki'a'i, "dann bist du damit beauftragt das zu machen, und du" - dabei deutete sie auf meine Studienkollegin Amber, "hilfst ihr dabei."
So schnell ist man im Kahuna Bodywork Training zur Sonderbeauftragten bestellt, und auch das ist Trainingsinhalt Die übrigen Studenten wurden mit anderen Tätigkeiten betraut und verschwanden in ihre Aufgabenbereiche.

Amber und ich zogen durch den großen, paradiesischen Garten, und sammelten mit Bedacht verschiedenfarbige Blüten der Plumeria, orange Tagetes, eine Zwiebel, und Korianderkraut in große Schüsseln ein. 

Wir machten Versuche, welche Farben sich mit ein paar Tropfen Wasser im Mörser aus den Pflanzenteilen lösen ließen, und brachten eine kleine, pastellig sanfte Farbpalette aus Pflanzensäften zustande. Einen dünnen Pinsel und eine Feder hatten wir auch noch in der Farm-Bibliothek gefunden, und so machten wir uns ans Werk.
Ich schrieb mit schnörkeliger Schrift in die Mitte des Blattes den Einladungstext, und Amber zeichnete mit Bleistift rundherum Blattranken und Plumeria Blüten vor, das wir alles anschließend mit den Farben veredelten. Es war eine richtig stimmige, meditative Arbeit, und wir haben beide über unserer Aufgabe die Welt rundherum komplett vergessen. 

Dies war das erste Erlebnis auf Hawai'i, das mir in meine wiederkehrende Leidenschaft wies. Es gibt aber noch eine zweite Erfahrung, die ich sehr kurze Zeit später machte:

Die Tage des Intensivtrainings lagen hinter mir. 
Ich war mit meiner Kahuna Bodywork Kollegin Isabell dabei, O'ahu zu bereisen. und wir hatten uns in ein hübsches, privates Miniappartement  an der bei Surfern und Lebenskünstlern berühmten Nordküste eingemietet.
An einem Tag fuhren wir mit dem Mietauto nach Hale'iwa, der berühmten Surf-Hochburg und Künstlerstadt auf O'ahu. Wir schlenderten entlang der Hauptstraße und blieben vor einer Galerie stehen. Die großen Doppelflügel der Eingangstür standen offen, und der Blick hinein enthüllte eine Riesenmenge großer Fotografien und gemalter Bilder, die die Wände füllten, und in Gestellen am Boden präsentiert wurden. Schon steuerten wir hinein zwischen die Bilder.

Eine unglaubliche Farbvielfalt und Motivreichtum empfing mich, ich wollte kaum noch blinzeln um ja nichts zu übersehen. Ein Bild schöner und satter als das andere, und auch ein Preis höher als der andere. 
Da fiel mir ein separierter Raum auf, aus dem ein ganz anderes Licht zu kommen schien. 
Ich ging darauf zu und blieb an der Türöffnung ehrfürchtig stehen. 
Es waren in wohltuenden Abständen nur ein paar große Gemälde an die Wände gehängt, von denen mich eines sofort in seinen Bann zog. 
Da es ein striktes Fotografierverbot in der Galerie gab, das ich natürlich respektierte, kann ich hier das Bild nur aus meiner Erinnerung beschreiben. 

Es war relativ realistisch gemalt, etwa die Hälfte im hinteren linken Teil des Bildes nahm die Küste einer Insel ein, den vorderen und rechten Teil bedeckte das Meer. Die Wellen des Meeres waren relativ hoch, und ein menschlicher Surfer in Nahaufnahme stand gewandt und fest auf seinem Board, seinen Blick nach vorne gerichtet - dahin, wohin er sich mit seinem Board bewegte. 
Und von meinem Blickwinkel aus seitlich versetzt etwas hinter und neben ihm, sodass man ihn vollständig sehen konnte, surfte ein weißhaariger Vorfahr dieses Menschen, mit traditionellen polynesischen Tattoos, und auf einem deutlich älteren Board. Auch dessen Kleidung war zu einer viel früheren Zeit modern. Er war sanft umrissen und etwas durchscheinend dargestellt, eben so, wie man einen Spirit, einen Geist, malt.

Ich stand still betrachtend vor dem Bild, eine Gänsehaut kräuselte meine physische Oberfläche, und es drückte mich energetisch in der Herzgegend. 
Eine heilige Präsenz war spürbar, und mir stieg in stiller Demut das Wasser in die Augen. 
Was für eine unglaubliche Energie! Was für ein begnadeter Künstler! 
Welch tiefe Passion und Gabe ist nötig, um so ein ätherisch reiches, berührendes Bild zu erschaffen? - so fragte ich mich.  
Ich war so eingebettet in die Energie, dass ich gar nicht mitbekam dass ich gesucht wurde, weil man weitergehen wollte. 
Ich löste mich widerwillig von dem Bild, und bedankte mich im Stillen dass ich es hatte sehen dürfen.

Dieses Erlebnis brachte mich nun ganz spezifisch in die Richtung der Seelenmalerei.

Einige Zeit nach dieser Reise besorgte ich mir endlich wieder verschiedenstes Material zum Malen, und ich meldete mich zu meinem ersten Workshop, Intuitives Seelen-Malen, bei der Eggelsberger Künstlerin Verena Fay an. 

Seitdem bin ich wieder zurück in der Seelenmalerei, mit neuen Musen, und reich an Erfahrungsschätzen.

Das oben stehende Zitat der Dichterin Mascha Kaléko trägt einen tiefgründigen Sinn für mich, denn wenn es um mich herum hoch und unruhig hergeht, tauche ich mit Hilfe der Seelenmalerei hinab in die ruhige Tiefe meines Seins, wo all die bemerkenswerten Dinge - die Perlen - zu finden sind, die ich dann auf Leinwand ausdrücken darf.